Die Historie von Alfa Romeo im Rennsport reicht von 1910, dem Gründungsjahr des Unternehmens, bis in die FIA Formel-1-Weltmeisterschaft 2021. Im Laufe der Jahrzehnte haben Persönlichkeiten am Lenkrad unterschiedlichster Alfa Romeo dem Sport einen unauslöschlichen Stempel aufgedrückt. Anlässlich des Internationalen Frauentags, der am 8. März stattfand, würdigt Alfa Romeo speziell die Rennfahrerinnen, die zur Erfolgsgeschichte der italienischen Traditionsmarke beigetragen haben. Es sind durchweg Frauen, deren Lebenswerk weit über die sportlichen Leistungen hinausgeht. Sie haben außerdem zur Überwindung von Vorurteilen und Beschränkungen beigetragen. Obwohl sie in verschiedenen Epochen Rennen fuhren und aus verschiedenen Nationen kamen, teilten die Pilotinnen den Pioniergeist und die Leidenschaft für den Rennsport. Sie alle betraten Neuland in diesem anspruchsvollen Sport.
Tatiana Calderón
Geboren 1993 in der kolumbianischen Hauptstadt Bogota, unternahm Tatiana Calderón ihre ersten Schritte im Motorsport im Go-Kart. 2005 gewann sie in ihrer Heimat die EasyKart-Meisterschaft – als erste Pilotin überhaupt. Nur drei Jahre holte sie, ebenfalls als erste weiblicher Teilnehmerin, den Titel in der JICA-Klasse in der Eastern Division der Stars-of-Karting-Meisterschaft in den USA.
2017 berief das Formel-1-Team Sauber Calderón als Entwicklungsfahrerin in die Mannschaft. Ein Jahr später, inzwischen war Alfa Romeo Partner von Sauber in der FIA Formel-1-Weltmeisterschaft, arbeitete Calderón als offizielle Testfahrerin für das Team. Sie war damit die erste Frau aus Lateinamerika in der Formel 1. Auch in der Saison 2021 unterstützt Tatiana Calderón das Team Alfa Romeo Racing ORLEN als Testfahrerin.
Tamara Vidali
Als die Rennabteilung von Alfa Romeo wieder den historischen Namen Alfa Corse annahm, begann die Ära von Tamara Vidali. Die Italienerin gewann 1992 am Lenkrad eines Alfa Romeo 33 1.7 Quadrifoglio Verde die seriennahe Division (Gruppe N) der italienischen Tourenwagen-Meisterschaft. 1993 stieg sie ins Werksteam auf und startete im Alfa Romeo 155 TS in der Hauptklasse der italienischen Tourenwagen-Meisterschaft, der mit seiner knallgelben Lackierung aus dem Teilnehmerfeld herausstach.
Lella Lombardi und Anna Cambiaghi
Nach Maria Teresa de Filippis in den 1950er Jahren war Maria Grazia „Lella“ Lombardi die zweite Italienerin, die Formel-1-Rennen fuhr. Sie trat bei 13 Großen Preisen an und ging in die Geschichte ein, als sie 1975 beim GP Spanien als erste – und bisher einzige – Frau in die Punkteränge fuhr. Zwischen 1982 und 1984 fuhr Lombardi im Alfa Romeo GTV6 2.5 in der Tourenwagen-Europameisterschaft, meist in werksunterstützten Teams. Zusammen unter anderem mit Giancarlo Naddeo, Giorgio Francia, Rinaldo Drovandi oder auch ihrer italienischen Landsfrau Anna Cambiaghi trug sie dazu bei, dass Alfa Romeo mehrere Markentitel in der Europameisterschaft gewann.
Christine Beckers und Liane Engeman
Die 1960er waren die Jahre der Alfa Romeo Giulia Sprint GTA. Seine Erfolge, Siege und Bedeutung für die Historie von Alfa Romeo sind Legende. Weniger bekannt ist die Rolle einer speziellen Version mit aufgeladenem Motor. Zwei hydraulisch angetriebene Kompressoren sorgten in der Alfa Romeo GTA-SA für eine Leistung von 220 PS und eine Höchstgeschwindigkeit von 240 km/h. Das Werksteam Autodelta baute nur zehn Exemplare für Einsätze in der sogenannten Gruppe 5. Nach dem Urteil zeitgenössischer Testfahrer wie Teodoro Zeccoli charakterisierte den GTA-SA „eine unberechenbare Leistungsexplosion, die plötzlich einsetzte und den SA zu einem schwer beherrschbaren Fahrzeug machte“. Niemand meisterte dieses unberechenbare Fahrzeug besser als die junge belgische Rennfahrerin Christine Beckers. Sie gewann 1968 in Houyet und erzielte im folgenden Jahr hervorragende Ergebnisse in Condroz, bei den „Tre Ponti“, in Herbeumont und in Zandvoort.
Beckers war aber nicht die einzige Rennfahrerin, die Erfolge im Alfa Romeo GTA feierte. Mit der Junior-Variante fuhr die Niederländerin Liane Engeman unter anderem für das Team von Toine Hezemans. Später arbeitet sie für Alfa Romeo als Fotomodell.
Susanna „Susy“ Raganelli
Die in Rom geborene Susanna „Susy“ Raganelli ist wohl die einzige Frau, die jemals eine Weltmeisterschaft auf vier Rädern gewonnen hat. 1966 siegte sie in der 100-Kubikzentimeter-Klasse der Kart-Weltmeisterschaft und schlug dabei Größen wie den späteren Formel-1-Piloten Ronnie Peterson. Raganelli beendete ihre Karriere am Lenkrad eines Alfa Romeo GTA. Sie war außerdem die erste italienische Käuferin eines der nur zwölf gebauten Alfa Romeo Tipo 33 Stradale von 1967.
Ada Pace („Sayonara“)
In den 1950er Jahren erreichte eine andere Fahrerin am Lenkrad verschiedener Modelle von Alfa Romeo herausragende Ergebnisse: die aus Turin stammende Ada Pace. Sie trat fast immer unter dem Pseudonym „Sayonara“ auf. Der japanische Ausdruck für „Auf Wiedersehen“ war dann auch auf dem Kennzeichen ihrer Rennfahrzeuge zu sehen – als spöttischer Gruß an die männlichen Konkurrenten. In ihrer jahrzehntelangen Karriere gewann Pace nicht weniger als elf Rennen in Italien, sechs mit Tourenwagen und fünf mit Sportwagen. Ihre größten Erfolge erzielte sie mit Alfa Romeo Giulietta Sprint Veloce und Alfa Romeo Giulietta SZ. Mit dem von Zagato gestylten Coupé gewann sie unter anderem 1958 das Bergrennen Trieste-Opicina.
Odette Siko
In den 1930er Jahren entwickelte sich Alfa Romeo zu einem der Hauptprotagonisten im internationalen Rennsport. Das war der Verdienst außergewöhnlicher Fahrzeuge, aber auch von Fahrern, die Teil dieser Legende wurden. Es ist die Ära von Tazio Nuvolari, Achille Varzi, Rudolf Caracciola und Raymond Sommer. Der Franzose gewann 1932 das 24-Stunden-Rennen in Le Mans zusammen mit Luigi Chinetti am Lenkrad eines Alfa Romeo 8C 2300. Ebenso viel Aufmerksamkeit erregte der Alfa Romeo 6C 1750 Super Sport, der auf Gesamtrang vier ins Ziel kam und die Klasse bis zwei Liter Hubraum gewann: Dieses Cockpit teilten sich Louis Chavarel und die französische Rennfahrerin Odette Siko – ein besseres Ergebnis hat bis heute keine andere Pilotin beim berühmtesten aller 24-Stunden-Rennen erzielt.
Geboren in Paris, machte sich Siko ab den 1920er Jahren einen Namen im Rennsport. 1930 war sie erste weibliche Teilnehmerin in der Geschichte der „24 Stunden von Le Mans“. Sie überzeugte ebenso mit ihren fahrerischen Leistungen wie mit ihrem eleganten Auftritt im Fahrerlager. Siko war befreundet mit einer anderen französischen Rennfahrerin, deren Leben ebenfalls mehrmals den Weg von Alfa Romeo kreuzte: Hellè Nice.
Hellè Nice
Geboren als Mariette Hèlène Delangle, machte sie Anfang der 1920er Jahre in Paris unter dem Künstlernamen Hellè Nice als Model, Akrobatin und Tänzerin Karriere. Als eine der prominentesten Frauen Europas lernte sie unter anderen Baron Philippe de Rothschild und die Familie Bugatti kennen. Sie fuhr Rennen in Europa und Amerika und war eine der ersten, die Markenlogos von Sponsoren auf der Karosserie ihres Rennwagens anbrachte. Mit ihrem eigenen Alfa Romeo 8C 2300 Monza startete Nice 1933 beim Großen Preis von Monza in Italien, jenem tragischen Rennen, bei dem Giuseppe Campari, Baconin Borzacchini und Stanislas Czaikowski ihr Leben verloren. 1936 gewann sie den Ladies Cup in Monte Carlo, wenig später beim Großen Preis von Sao Paulo in Brasilien verunfallte sie schwer. Sie lag drei Tage lang im Koma. Von den Folgen erholte sich Hellè Nice nur langsam, an ihre großen Leistungen konnte sie anschließend nicht mehr anknüpfen.
Anna Maria Peduzzi
Die Jahre von 1933 bis 1937, in der die Scuderia Ferrari die Farben von Alfa Romeo auf den Rennstrecken vertrat, schrieben ein grundlegendes Kapitel in der Geschichte von Marke. Zu den Fahrern unter dem Logo des sich aufbäumenden Pferdes gehörte die in Como geborene Anna Maria Peduzzi, Ehefrau des Rennfahrers Franco Comotti. Von Ferrari erwarb Peduzzi einen Alfa Romeo 6C 1500 Super Sport, den sie bei zahlreichen Straßen- und Bergrennen einsetzte. Gelegentlich fuhr sie zusammen mit ihrem Mann, 1934 gewann das Ehepaar die Klasse bis 1,5 Liter Hubraum bei der Mille Miglia. In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg fuhr Peduzzi Rennen mit Alfa Romeo 1900 Sprint und Alfa Romeo Giulietta.
Maria Antonietta d‘Avanzo
Die erste aller Rennfahrerinnen, die am Lenkrad eines Alfa Romeo für Furore sorgten, war Maria Antonietta d’Avanzo. Die Baronin begann ihre Karriere in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen. Sie war aber nicht nur eine Pionierin des Motorsports in Italien, sie machte sich auch als Fliegerin und Journalistin einen Namen. 1921 belegte sie im Alfa Romeo G1 den dritten Platz bei der „Brescia Speedweek“ in Norditalien, 1930 startete sie im Alfa Romeo 1750 Super Sport bei der Mille Miglia. In vielen Rennen erwies sie sich als ebenbürtige Konkurrentin der besten Fahrer der Zeit, darunter ein junger Enzo Ferrari. Baronin D’Avanzo fuhr bis in die 1940er Jahre hinein Rennen in unterschiedlichsten Klassen und Fahrzeugen auf mehreren Kontinenten.
Fotos: ©Alfa Romeo
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