Wir schreiben das Jahr 1970: Die Beatles veröffentlichen ihr Album ‚Let It Be‘ und aus der gescheiterten Raumfahrtmission Apollo 13 entsteht das weltberühmte Zitat „Houston, wir haben ein Problem“. Doch auch in der automobilen Welt tut sich 1970 einiges. Visionäre, keilförmige Designs dominieren das Erscheinungsbild von Supersportwagen und der technisch raffinierte Kreiskolbenmotor wird in Konzeptfahrzeugen verschiedenster Hersteller erprobt.
So stellt auch Mazda zum 50. Jubiläum des Unternehmens auf der 17. Tokyo Motorshow den radikal kantigen und stromlinienförmigen RX500 vor. Der gelbe Mittelmotor-Sportler entwickelte sich schnell zum Publikumsliebling, besticht er doch durch sein aviatisch inspiriertes Design und den nach oben öffnenden Schmetterlingstüren. Mit der innovativen Kreiskolbentechnik ausgerüstet, war es kaum verwunderlich, dass der futuristische RX500 ein weltweit starkes mediales Interesse auslöste.
Vom Showroom in die Spielzeugkiste
Diese Umstände boten eine hervorragende Grundlage, den spektakulären Wagen als Modellauto aufzulegen. Matchbox erkannte das Potenzial des RX500 und reihte ihn in das Superfast Programm ein – eine Reaktion auf die 1968 von Mattel eingeführten Hot Wheels, die mit dünnen Achsen und neuen Rädern schneller fuhren und mehr Spielspaß garantierten.
Warum entschied sich Matchbox dafür, das japanische Supercar in sein Portfolio aufzunehmen? Hot Wheels konzipierte seine Produkte speziell für den US-Markt, den bis dato größten Absatzmarkt von Matchbox, und punktete mit verschiedenen Custom Cars, die den ausgefallenen amerikanischen Geschmack trafen. Um mitziehen zu können suchte Matchbox ebenfalls nach futuristischen Fantasie- und Konzeptfahrzeugen. Der RX500 entsprach den Anforderungen des amerikanischen Marktes komplett und auch in Europa herrschte großes Interesse an Mazda und dem Wankelmotor. So war es kein Wunder, dass der 1971 als MB66 eingeführte, orangene Matchbox RX500 sofort zum weltweiten Bestseller avancierte.
Spektakulär anders – das Design des RX500
Doch wie kam Mazda überhaupt zu einem solch radikalen Fahrzeug? Unter dem Codenamen X810 wurde bereits 1968 die Entwicklung eines Prototypen zur Erforschung des Verhaltens von Kunststoffkarosserien und Fahrdynamik bei Geschwindigkeiten von über 200 km/h ins Leben gerufen. Basierend auf einer Idee für den Überlandverkehr der Zukunft sollte das Thema „Harmonie zwischen Mensch und Geschwindigkeit in der zukünftigen Gesellschaft“ untersucht werden. Ein experimentelles Fahrzeug mit Mittelmotor, geringem Luftwiderstand und hohem Anpressdruck, aber mit der Laufruhe des Wankelmotors sollte die Lösung sein. Auch als potenzieller Nachfolger des Cosmo Sport 110S, zu dem Zeitpunkt das Vorzeige-Automobil von Mazda, stand der RX500 im Raum.
Ein ausgewähltes Team fertigte verschiedene Modelle, die im Windkanal auf ihren Luftwiderstand untersucht wurden. Entgegen der ursprünglichen Idee ein Coupé zu bauen, fiel die Entscheidung auf das windschnittige, als Shooting Brake entworfene Modell von Designer Shigenori Fukuda, das den geringsten Luftwiderstand aufwies. Inspiration für das Design des RX500 erhielt Fukudasan unter anderem durch den Film „2001: Odyssee im Weltraum“. Das Fahrzeug sollte so wenig wie möglich an ein klassisches Automobil erinnern, sodass sich verschiedenste Designelemente aus Rennsport und Luftfahrt im RX500 wiederfanden. Vor allem das Heck des RX500 stach durch sein außergewöhnliches Erscheinungsbild hervor. Es erinnert ein Raumschiff oder einen Düsenjäger. Inspiriert wurde Shigenori Fukuda ebenfalls durch die Verbindung zum italienischen Karosseriehersteller Carrozzeria Bertone. So fügte er dem RX500 weiche Rundungen und Konturen hinzu und vermied monotone Linien.
Ein weiteres Designmerkmal ist die umlaufende Windschutzscheibe. Durch die vollständig verdeckte A-Säule erscheinen die Glasflächen des Fahrzeugs wie aus einem Guss und lassen die Fahrerkabine kuppelartig erscheinen. Schon im Stillstand erzeugen die aus dem Motorsport bekannten Schmetterlingstüren einen dynamischen Eindruck. Dahinter liegt, verdeckt von Flügeltüren, die als längsgeteilte Motorraumabdeckung fungieren, das rotierende Herz des Sportwagens. Ein Detail, das Matchbox beim Entwurf des Kinderzimmer-Flitzers entgangen ist: Hier verbirgt sich der Motorraum unter einer großen, nach hinten öffnende Klappe.
Im Innenraum nehmen die Insassen in zwei Schalensitzen Platz. Hinter dem Vier-Speichen Lederlenkrad fällt der Blick auf drei Halbrund-Instrumente, die in einem umlaufenden Armaturenbrett angeordnet sind. Auch für Entertainment wurde im RX500 gesorgt. So befindet sich in der Mittelkonsole hinter dem Vierganggetriebe aus dem Mazda Luce R130 Coupé ein AM/FM Radio.
Rückleuchten der Zukunft und Farben, die die Gerüchteküche anheizten
Der RX500 wurde mit einem futuristischen Rückleuchtenkonzept ausgestattet, das anderen Verkehrsteilnehmern zusätzliche Informationen liefern und so den Verkehr sicherer machen sollte. So umfasste die Beleuchtungsanlage am Heck des Fahrzeugs neben dem konventionellen roten Brems- und weißen Rückfahrlicht zusätzliche rote, gelbe und grüne Leuchten. Je nach Intensität der Bremsung leuchteten die roten Leuchten progressiv auf und warnen so bei einer Gefahrenbremsung den nachfolgenden Verkehr, ähnlich dem heutigen Notbremssignal mit blinkenden Rückleuchten. Die gelben Lampen leuchteten auf, sobald das Tempo verringert wurde, während die grünen auf die Beschleunigung des Fahrzeugs hinwiesen.
Für Spekulationen sorgten immer wieder Bilder von verschiedenen Farbausführungen des RX500 – wurden letztendlich mehrere Exemplare des RX500 gebaut? Aufschluss ergab die Restauration des silbernen Fahrzeugs im Jahr 2008, bei dessen Aufarbeitung sowohl grüne als auch gelbe Lackschichten zum Vorschein kamen. Der ursprünglich grüne Wagen wurde zur Tokyo Motorshow Gelb umlackiert, da alle ausgestellten Fahrzeuge von Mazda einheitlich in einem hellen Gelb mit rotem Interieur präsentiert werden sollten. Der RX500 sorgte auch anschließend weltweit auf verschiedenen Ausstellungen für Furore, kam jedoch von seinen Reisen nicht ganz unbescholten zurück, sodass der Wagen seinen heutigen, silbernen Anstrich erhielt. Hoffnungen einer Serienfertigung des RX500 zerfielen spätestens mit der 1973 beginnenden Ölpreiskrise. Somit bleibt der RX500 bis heute ein Einzelstück, das im Numaji Transportation Museum in Hiroshima besichtigt werden kann.
Vom Spielzeug zum Sammlerstück
Zum Glück konnte die Krise der Miniaturausgabe des RX500 nichts anhaben: Nach seiner Markeinführung blieb das Matchboxmodell über vier Jahre im Verkauf, bis er 1975 als Streaker Modell in Rot neu aufgelegt und 1976 die Produktion erstmalig eingestellt wurde. Zwischen 1978 und 1985 wurde der RX500 in weiteren Farbausführungen auf verschiedenen lokalen Märkten vertrieben. Somit stand die kleine, erfolgreiche Hommage an den RX500 insgesamt über ein Jahrzehnt in den Spielzeugregalen und wurde weltweit unzählige Male verkauft.
Fotos: ©Mazda
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