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Bugatti Coachbuilding

by Kay MacKenneth

Bugatti-Fahrzeuge waren und sind seit der Gründung vor 110 Jahren technisch und optisch über jeden Vergleich erhaben. „Wenn es vergleichbar ist, ist es nicht mehr Bugatti“, sagte schon Unternehmensgründer Ettore Bugatti. Für Bugatti-Kunden mit besonderem ästhetischem Anspruch hatte die französische Luxusmarke früh Alternativen parat: Coachbuilding – exklusive Fahrzeuge in eine noch exklusivere Form zu verändern.

Das englische Wort Coach steht für Kutsche oder Wagen. Es ist gleichzusetzen mit der Haute Couture im Modebereich. „Coachbuilding steht für Unikate, für maßgeschneiderte Autos für den individuellen Geschmack“, sagt Bugatti-Präsident Stephan Winkelmann. Eine lange, fast vergessene Tradition.

Anfang des vergangenen Jahrhunderts entwickelten und produzierten Automobilhersteller wie Bugatti je nach Kundenwunsch Fahrzeuge mit oder ohne Karosserie. Kunden hatten die Wahl, ob sie ihr Auto mit einer ab Werk angebotenen Karosserie kauften oder ob sie Fahrgestelle und Antrieb von einem anderen Karosserieschneider einkleiden ließen. Sie entwickelten mit den jeweiligen Kunden Einzelanfertigungen. Bekannte Unternehmen wie Gangloff, Corsica Coachworks, Weymann oder Weinberger schneiderten unter anderem die exklusiven Fahrgestelle von Bugatti – oder auch Bugatti selbst.

Noch bis Anfang der 1920er-Jahre konzentrierte sich Bugatti auf die Technik wie Motoren und Fahrwerke. Autos sollten anfangs funktional und minimalistisch sein, dafür bei Rennen umso erfolgreicher. Eine Karosserieabteilung entstand im elsässischen Molsheim erst 1923. Ettore Bugatti war schon lange der Meinung gewesen, dass ein Auto erst dann perfekt ist, wenn es vom ästhetischen Standpunkt her perfekt ist. So sorgte zunehmend sein Sohn Jean dafür, dass das Design der Karosserie eine größere Bedeutung im Unternehmen erhielt. 

Jean Bugatti schuf Design-Ikonen
Jean Bugatti entwickelte früh eine Begabung für Formen und Design, er hatte ein Gefühl für Proportionen und fließende Konturen. Beim Luxuswagen Type 41 Royale schuf er 1932 als 23- Jähriger die elegante Roadster-Karosserie für den damaligen Textilfabrikanten Armand Esders, heute ist das Auto bekannt als Royale Esders. Da der Besitzer nur bei Tag fahren wollte, ließen sich die Scheinwerfer demontieren, was die Erhabenheit des Roadsters steigerte. Auch das Coupé Napoléon zeichnete Jean Bugatti. „Perfektion wird nie erreicht. Doch der Royale muss der Supersportwagen-Perfektion nahekommen“, sagte einst Ettore Bugatti. Vom Type 41 Royale entstanden insgesamt sechs Fahrzeuge. Jedes mit einer anderen Karosserie versehen, dafür aber jedes mit einem 12,8-Liter-Reihenachtzylindermotor mit rund 300 PS, dem damals stärksten und laufruhigsten Motor. Schon damals stand Bugatti für höchste Qualität, maximale Leistung und absolute Einzigartigkeit. „Das hat sich bis heute nicht geändert“, sagt Bugatti-Präsident Stephan Winkelmann.

Jean Bugatti konnte seine Kreativität im Unternehmen ausleben. Es folgten Karosserie- Entwürfe für den Type 46, Type, 50 und Type 55. Mit dem Type 57 entwickelte Jean Bugatti ab 1934 die Idee von einem Grundmodell, aus dem er verschiedene Karosserie- und Motorvarianten ableitete. Damit katapultierte er das Coachbuilding in eine neue Zeit. Das Stelvio genannte Cabrio und das Aravis genannte Coupé entstanden nach Jean Bugattis Plänen beim Karosseriebauer Gangloff im benachbarten Colmar. Den Zweitürer Ventoux, die viertürige Limousine Galibier und das Coupé Atalante fertigten Mitarbeiter Bugattis selbst in Molsheim.

Bugatti konzipierte den Type 57 als Serienauto und als Rennsport-Variante je nach Einsatzzweck und Kundenwunsch. Die Käufer waren begeistert: Vom Type 57 verließen in den verschiedenen Versionen zwischen 1934 und dem Ende der Produktion 1940 etwa 800 Fahrzeuge die Werkshalle – die genaue Zahl ist nicht bekannt.

Jahrhundertwerk Type 57 SC Atlantic
Bugattis bis heute gültiges Meisterstück der Frühzeit ist der Type 57 SC Atlantic: Ein nur viermal gebautes Sportcoupé mit über 200 PS und einer atemberaubenden Karosserie. Als herausragendes Design-Merkmal dient ein Kamm, der senkrecht vom Scharnier der teilbaren Motorhaube bis zum Heckende verläuft. Wie eine messerscharfe Finne teilt er mittig die Karosserie, Nieten halten die Bleche zusammen. Jedes der vier Fahrzeuge ist der Inbegriff des Coachbuildings, jedes ein Unikat, da individuell für den Erstbesitzer entworfen. Das zweite der vier Fahrzeuge ließ Jean Bugatti für sich selbst anfertigen. Kurz vor dem Zweiten Weltkrieg verschwand der La Voiture Noire1 genannte Zweitürer bis heute. Er zählt zu den teuersten Autos der Welt.

Bugatti setzt Coachbuilding-Tradition fort
„Diese Geschichte verpflichtet und inspiriert uns zugleich“, sagt Stephan Winkelmann. Vergangenes Jahr präsentierte deshalb die französische Luxusmarke den Divo2, einen besonders auf Querbeschleunigung ausgelegten Hypersportwagen und eine Reminiszenz an die Coachbuilding-Tradition der Marke aus Molsheim. Mit dem Divo ließ Bugatti nach Jahrzehnten wieder seine berühmte Tradition aufleben. Dank umfangreicher Karosserieoptimierungen änderte sich der Charakter hin zum Hypersportwagen für kurvenreiche Strecken. „Mit dem Divo haben wir den Chiron3 deutlich nachgeschärft. Er ist performanter in Sachen Querbeschleunigung, Agilität und Kurvenverhalten“, sagt Stephan Winkelmann. Eine Idee, die bei den Kunden auf großes Interesse stieß: Noch vor der offiziellen Weltpremiere war die auf 40 Fahrzeuge limitierte Kleinserie ausverkauft – zum Netto-Stückpreis von fünf Millionen Euro.

„Alle Bugatti-Fahrzeuge sind höchst individualisierte Meisterstücke automobiler Handwerkskunst, die ihresgleichen suchen. Mit dem Coachbuilding gehen wir einen Schritt weiter und bieten unseren Kunden noch individuellere Fahrzeuge. Einzigartig in der Qualität, der Technik, aber auch im Design“, sagt Stephan Winkelmann.

Im März dieses Jahres schlug Bugatti ein neues Kapitel auf: In monatelanger Handarbeit entwickelte die französische Luxusmarke das Einzelstück La Voiture Noire für einen Bugatti- Enthusiasten. Zum 110-jährigen Jubiläum des Unternehmens entstand so eine Hommage an den berühmten Bugatti Type 57 SC Atlantic, ohne ihn dabei zu kopieren. Die Neuinterpretation der Ikone erhält durch einen verlängerten Vorderbau, eine elegante Taille und ein perfektes Materialfinish einen völlig neuen Ausdruck. Purismus und Eleganz spiegeln sich in den Oberflächen und den klaren Linien wider. Das Resultat: ein moderner Grand Tourisme mit dem außergewöhnlichsten Antrieb der Automobilgeschichte: Den ikonenhaften 8,0-Liter-W16-Motor mit vier Turboladern, 1103 kW/1.500 PS und 1.600 Newtonmeter Drehmoment.

„Wir haben so lange an dem Fahrzeug gearbeitet, bis wir nichts mehr verbessern konnten. Für uns stellt das Coupé die perfekte Form im perfekten Finish dar, ganz im Sinne Ettore Bugattis“, sagt Bugatti-Designer Etienne Salomé. Ein Auto der absoluten Klarheit, der Überlegenheit des Zwecks in makelloser Form. Von Hand gebaut. Als perfektes Einzelstück. Das macht Karosserie-Handwerk aus.

Bugatti T57
Der Bugatti Type 57, auch T57 genannt, wurde von 1934 bis 1940 nur mit rund 700 Exemplaren gebaut. Es war ein völlig neues Designkonzept von Jean Bugatti, dem Sohn von Firmengründer Ettore Bugatti. Wie auch die Modelle Type 50 und Type 55 tragen auch die Type 57 Modelle seine Handschrift.

Der Type 57 ist mit einem herausragenden Motor ausgestattet. Der Reihen-Acht-Zylinder Motor mit 3,2 Litern Hubraum und 135 PS bei 5400 U/min ist äußerst laufruhig. Es wird sogar behauptet, dass eine hochkant aufgestellte Münze auf dem Zylinderkopf sogar bei laufendem Motor stehen bleibt.

Mit seinen 135 PS erreicht dieses Modell eine durchschnittliche Reisegeschwindigkeit von 160 km/h. Für die damalige Zeit eine beachtliche Leistung. Wie damals üblich, wurde auf Fahrwerk und Motor eine individuelle Karosserie gesetzt, die sich der Eigentümer selbst aussuchte. Die wohl bekannteste Karosserie des T57 Modells ist die Atalante Karosserie. Die Karosserie dieses gezeigten Modelles stammt von Karossier Gangloff aus Colmar und wurde 1934 an einen prominenten Käufer ausgeliefert. Wie bei allen Bugattis prägt schlichte Eleganz das Fahrzeug.

Einzig der typisch hufeisenförmige Kühlergrill prunkt an der Front des Fahrzeugs. Die tiefere Schönheit steckt in den kleinen Details. Ein schönes Beispiel ist das Zentralinstrument, das in der Mitte des Holzarmaturenbretts zu finden ist. Die Speichenräder sind von Radkappen verdeckt. Ein Element, das zur damaligen Zeit Hochwertigkeit symbolisierte. Sportlichkeit für ein zügiges Reisen in Form eines zivilen Tourenwagens vermittelt auch die Linie der Karosserie.

Bugatti T57 SC Atlantic
Nur vier Fahrzeuge des weltberühmten Bugatti Atlantic 57 SC wurden jemals gebaut. Erhalten blieben nur zwei davon. Einer der Besitzer ist Modeschöpfer Ralph Lauren. Die tropfenförmige Stromlinienform zählt zu den schönsten Designs der Automobilgeschichte.

Sehr typisch ist der genietete Falz entlang der Karosserie. Auch wenn dieses Erkennungsmerkmal häufig dem Art Déco-Stil zugeschrieben wird, hat der Falz einen rein technischen Hintergrund. Der größte Teil der Karosserie ist aus Gewichtsgründen aus dem sogenannten „Elektron“-Metall gefertigt, das ein sehr leichtes Eigengewicht der Karosserie ermöglichte. Dieses Metall besteht zum einen aus Aluminium, zum anderen aus Magnesium. Magnesium ist allerdings sehr leicht entzündlich und kann daher nicht geschweißt werden. Das ist der Grund, warum große Teile der Karosserie genietet wurden. Ebenfalls typisch für die Zeit sind die geschlossenen Radkappen. Es galt als schick, die Speichenräder mit Radkappen abzudecken. Ein Designelement, dass dem Stromlinienverhalten des Bugatti sehr entgegen kommt. Auch im Innenraum zeigt sich die Extravaganz dieses Bugattis. Edel ist das hölzerne Armaturenbrett mit den stilvollen Uhren und die bequeme Ausstattung für die Passagiere.

Seitlich findet man die dynamisch geschwungenen Fenster, die sich der Linie der Kotflügel anpassen. Unter der Motorhaube arbeitet ein kompressorgeladener Reihen-8- Zylinder Motor.

Der Bugatti Atlantic ist ein automobiles Kunstwerk.

Bugatti Typ 41
Der Bugatti Royale gilt noch heute als eines der imposantesten Fahrzeuge der Automobilgeschichte. Bereits 1919 wurde an den Plänen für den Type 41, so die offizielle Bezeichnung, gearbeitet, aber erst 1928 war es soweit und das erste Chassis konnte zum Großen Preis von Deutschland am Nürburgring vorgestellt werden. Für die Konstruktion des Type 41 zeichnete Jean Bugatti verantwortlich. Auffällig ist die Kühlerfigur der T41 Modelle, der aufrechtstehende Elefant – ein heute unter Sammlern sehr begehrtes und äußerst wertvolles Objekt.

Nur 6 von 25 geplanten Modellen des Bugatti Royal wurden gebaut. Darunter das hier gezeigte Modell Coupé de Ville mit Binder-Karosserie, das am 4. April 1932 an den französischen Textilhersteller Armand Esders ausgeliefert wurde.

Auffällig sind an Esders Bugatti die fehlenden Frontscheinwerfer. Bei seiner Bestallung hatte Armand Esders ausdrücklich gebeten, auf den Einbau von Frontscheinwerfern verzichten, da er nachts sowieso nicht fahre. Die Binder-Karosserie weist noch eine Besonderheit auf. Im Heck befindet sich ein aufklappbarer “Schwiegermuttersitz” mit einer zusätzlich versenkbaren Windschutzscheibe.

Das als Royale Esders Coupé bekannt gewordene Fahrzeug des Textilherstellers gilt seit dem Weiterverkauf, nur zwei Jahre nach dem Erwerb, als spurlos verschwunden.

Noch bekannter als das Esders Coupé dürfte der Bugatti „Royale“ sein. Die elegante Karosserie ist auf dem stabil konstruierten Chassis aufgesetzt. Dieses Chassis ist ein Wunderwerk der Technik, denn es musste leicht sein und trotzdem die Länge, das Gewicht und das gewaltige Drehmoment des großen 12,7 Liter Motors tragen. Die Gesamtlänge des Bugatti Royale beträgt immerhin über 6 Meter bei einem Radstand von 4,3 Metern.

Bugatti Typ 44
Ettore Bugatti galt als Rennwagen-Spezialist, doch er wollte mehr. Der kommerzielle Erfolg schwebte ihm vor und so beschloss er Ende der 1920er Jahre, den Markt der Luxuswagen zu erobern. Zur Konkurrenz gehörten Mercedes-Benz, Hispano-Suiza und Duesenberg, die über große, repräsentative Tourenwagen im Angebot verfügten. Das Modell Bugatti Typ 44 wurde ein Erfolg und mit rund 1100 Stück für damalige Zeiten ein Verkaufsschlager – obwohl ihm die typische Bugatti-Note, die sportliche Ambition, fehlte.

Ende 1927 wurde der Bugatti Typ 44 vorgestellt. Aufgebaut wurden die Typ 44-Varianten auf dem Chassis der Bugatti Typ 38, lediglich der Motor war eine Neuentwicklung. Dieser neue 3 Liter 8-Zylinder-Reihenmotor mit obenliegender Nockenwelle und Mittelantrieb leistet bei 4000 U/min ganze 80 PS. Pro Zylinder wirken 3 Ventile, 2 Einlass- und 1 Auslassventil. Die Kurbelwelle ist 9-fach gelagert und optimiert für die mittlere Touring-Geschwindigkeit.

Wie zur damaligen Zeit üblich, erhielten die Bugattis maßgeschneiderte Karosserien auf die ausgelieferten Chassis mit Motor.

In diesem Falle schmückt eine von Weinberger München aufgebaute Wiemeier-Karosserie das Fahrzeug. Die Linienführung ist formvollendet und unterstreicht den Tourenwagen-Charakter des Fahrzeugs.

Der Antrieb liegt auf der Hinterachse und wird durch eine 4-Gang-Schaltung gesteuert.

Schaltung, Lenkung und Bremse sind sehr präzise und leichtgängig. Die Bugatti Type 44 Modelle wurden zwischen 1929 und 1932 mit rund 1100 Exemplaren gebaut. Das meist gebaute Bugatti Modell überhaupt ist mit dieser Weinberger-Karosserie ein echter Klassiker.

Fotos: ©Bugatti, Kay MacKenneth

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