Spricht man über die führenden klassischen italienischen Automobildesigner, wie Bertone, Pininfarina, Gandini oder Giugiaro, dann darf man einen Namen nicht außer Acht lassen: Giovanni Michelotti. Er war sicherlich einer der bedeutendsten Designer und nahm den größten Anteil im Ranking um die meisten designten Automobile ein. Zwar wurde unter den über eintausend Modellen das ein oder andere Modell nie gebaut, aber die meisten Fahrzeuge gingen in Serie. Lancia, Alfa Romeo, Ferrari, DAF, BMW, Triumph, Renault, Fiat und viele andere Markennamen standen auf seiner Kundenliste.
Giovanni Michelotti wurde 1921 in Turin geboren. Mit 15 Jahren begann er seine Karossier-Laufbahn bei dem Turiner Unternehmen Stabilimenti Farina. Sein Eifer und die Leidenschaft verhalfen ihm zu einer steilen Karierre bei Stabilimenti Farina. Sehr schnell stieg er von seiner Lehrlings-Position auf und wurde einer der führenden Designer. Sein erstes Projekt dort war ein maßgeschneiderter Karosserieentwurf für einen Lancia Astura im Jahr 1938, der nie in Produktion ging. Eines seiner ersten Serienfahrzeuge, das bei Stabilimenti Farina entstanden ist, war der große Alfa Romeo 6C 2500 S. Es gibt Oldtimer, die vereinen einige der Attribute rassig, stilvoll, authentisch, selten oder historisch. Beim Alfa Romeo 6C 2500 aus dem Hause Stabilimenti Farina kommt alles zusammen. Dieser 1947 auf dem Concorso d’Eleganza am Comer See präsentierte Prototyp basiert mechanisch auf dem Alfa Romeo 6C 2500 Sport. Er sollte die Vorlage für das 1949 vorgestellte 6C 2500 Cabriolet sein.
Auf den ersten Blick wirkt der voluminöse Wagen nicht wie ein Italiener. Die breiten Streben an der Kühlerfront fallen extravagant auf und lassen eher auf ein französisches Design schließen.
Doch dieses 5-sitzige Cabriolet stammt aus der Hand zweier italienischer Meister der Karosserie-Kunst: Mario Revelli di Beaumont und Giovanni Michelotti.
Schon während seiner Ausbildung zeigte Michelotti seine Begabung, lernte von Größen wie Pietro Frua und Alfredo Vignale und brachte es schnell zu eigenem Ruhm. Er war zu dieser Zeit gerade erst einmal 20 Jahre alt.
Michelotti verließ Farina und begann eine Stelle bei Allemano. Sein wachsender Erfolg reichte aber bald aus, ein unabhängiges Studio in seinem eigenen Namen zu gründen, für das er von seiner Wohnung in Turin aus arbeitete. Das war 1949. Zunächst arbeitete er als Vertragsberater für verschiedene italienische Designhäuser, darunter Bertone und Ghia. Viele der ersten Aufträge kamen von Vignale, denn Vignale hatte schon bei Farina einige Modelle von Michelotti designen lassen. Giovanni Michelotti designte einige sehr elegante maßgefertigte Blechkarosserien für den Fiat 1100 und den 1500, dem Lancia Aprilla und vor allem die äußerst formschöne Karosserie für den Cistalia Abarth 204A, der bis heute als Designhighlight gilt.
Obwohl Vignale letztendlich die meisten Karosserien bei Michelotti in Auftrag gab, kam Michelottis Durchbruch, als Briggs Cunningham ihn beauftragte, die Linien des schönen C3-Coupés zu entwerfen. Im selben Zeitraum arbeitete er auch mit Vignale am Ferrari 212 Export Spyder zusammen. Michelotti hatte eine arbeitsreiche vierjährige Amtszeit, in der er ab 1953 fast der einzige Karosseriedesigner bei Ghia-Aigle war. Seine einmalige Spider-Kreation auf einem Renault-Chassis gilt als Inspiration für den ursprünglichen Alpine A110.
Michelotti würde heute als Nerd und als Arbeitstier bezeichnet werden. Am wohlsten fühlte er sich hinter seinem Schreibtisch in dem Atelier in Turin, wo er stundenlang Entwürfe anfertigte. Aber etwas unterschied diesen italienischen Meisterdesigner von seinen Kollegen: Er konnte binnen weniger Stunden mehrere Skizzen seiner Ideen anfertigen, dazu noch ein eventuelles Rohmodell und eventuell sogar schon etwaige Konstruktionsskizzen. Er war praktisch durchgehend mit seinem Team zusammen und beschränkte sein Privatleben auf das minimale. Nur sonntags, wenn der heimische Fußballverein spielte, ging er mal auf den Sportplatz.
So kam es, dass er auf dem Turiner Automobilsalon 1954 tatsächlich an die 45 Modelle vorgestellt wurden, an denen Giovanni Michelotti mitgearbeitet hatten.
1957 gestaltete Michelotti für BMW den Kleinwagen BMW 600 und 1959 den BMW 700. Ein weiterer BMW der aus der Feder von Giovanni Michelotti stammt ist die Neue Klasse 1500 und der BMW 2002.
Michelotti war ein großer Verehrer von Jaguar, und mehrere Einzelstücke, die er auf einer Vielzahl von Coventry-Chassis baute, sind auch sehr gut angenommen worden. Er hatte bereits Kontakte in Großbritannien, als er einen Vorschlag zur Gestaltung des 1956er Standard Vanguard vorlegte, einer Limousine, die in ihrer Gesamtheit einen Bruch mit den früheren, zutiefst konservativen Modellen von Standard darstellte. Ein echtes Designhighlight in dieser Zeit war allerdings das für Bertone entworfene Blechkleid auf der Basis des Aston Martin DB2/4, dass sich sehr von dem Standard-Design entfernte. Dazu kamen noch ein Bentley MK5, Borgward 1800 Hansa, Lancia Aurelia und einige Fiat Modelle auf der Basis des 1100 und 1500.
Michelotti entwarf aber nicht nur für die ganz großen Häuser, sondern auch für die kleineren Modellschmieden wie Ostuni, Accossato und Coriasco, für die er Fiat-Modelle umgestaltete.
Zu seinem Auftragsfeld gehörten nunmehr auch immer mehr Serienfahrzeuge, da seine Sonderkarosserien mittlerweile einen sehr anerkannten Status erreicht hatten. Fast jeder bedeutende Karosseriehersteller fragte bei ihm bezüglich einer Unterstützung an. Sein Ruf reichte weit über die italienischen Grenzen hinaus. Renault ließ ihm die Renault Dauphine und die weltberühmte Alpine A110 gestalten.
Auch Bertone gehörte zu Michelottis Kundenstamm. Für die Karosserieschmiede in Turin entstanden einige sehr markante Sonderkarosserien wie für den Aston Martin DB2/4, dem Bentley MK5 oder auch dem Borgward Hansa 1800. Einige Modelle des Fiat 1400 und 1500, der Arnoldt MG-TD und Lancia Aurelia Aufbauten. Aber auch weniger bekannte Karosseriehäuser wie Monvisio, Ostino oder Coriasco ließen bei Michelotti sehr schönen Karosserien anfertigen. Dazu gehörten zum Beispiel der Fiat Stella Alpina oder ein Fiat 1400 Giardinetta.
Zu den vielen Sonderkarosserien, die Michelotti für die unterschiedlichsten Karosseriefirmen zeichnete, kamen auch etliche Serienkarosserien, die er für die befreundeten Karosseriefirmen entwerfen durfte. Man nutzte die hervorragende Zusammenarbeit und sourcte die Aufträge aus. In diesem Zuge entstanden die Zeichnungen und Konstruktionen für viele bekannte italienisch eingekleidete Serienmodelle, wie dem Triumph Herald, BMW Neue Klasse, Standard Vanguard Six, Triumph 2000, Triumph 1300Triumph TR5 oder auch der BMW2500 – um nur wenige Modelle zu nennen. Die Auftragsliste wurde immer größer. Sehr viele britische Firmen wie Bristol, AC, Austin-Healey, Jowett, Jaguar und MG vergaben ihre Designaufträge an das Turiner Karosseriestudio.
Den Kontakt zu BMW erhielt Michelotti durch den Auftrag, für ISO die Isetta zu entwerfen. Da die Grundlinien der ISO Isetta später in die BMW Isetta übergeflossen sind, hatte Michelotti einen sehr guten Eintritt nach München erhalten. Michelotti sollte den Prototypen des 505 entwerfen, der zwar nie in Serie ging, dennoch aber in seiner Form sehr überzeugte. Ausgehend von der BMW Isetta kamen im Anschluss Umgestaltungsaufträge für die BMW 300 und 600. Später erhielt er auch den Auftrag zur Ausarbeitung der Versionen 1500, 1600,1602,1800, 1802, 2000 und 2002, bis hin zum 2500, 3.0 oder auch dem 3.0 CS.
Zu seinem 100. Geburtstag richtet das Turiner Automobilmuseum MAUTO vom 6. Oktober 2021 bis zum 9. Januar 2022 eine bedeutende Einzelausstellung ein, die dem Turiner Designer gewidmet ist. Erstmals wird ein beträchtlicher Teil des Michelotti-Archivs der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Skizzen, technische Zeichnungen, Blaupausen, maßstabsgetreue Modelle sowie eine Auswahl der repräsentativsten Autos von Michelotti werden bei MAUTO ausgestellt. Diese Autos erzählen zusammen mit Papierdokumenten, noch nie dagewesenen Videos und einem eindrucksvollen szenischen Design die professionelle und menschliche Geschichte des Designers.
Kuratiert wird die Ausstellung von Giosuè Boetto Cohen mit Unterstützung von Edgardo Michelotti, Sohn des Designers und Inhaber des Privatarchivs.
Fotos: ©Kay MacKenneth/Archiv
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