Home News2022 Bugatti Type 59 Sports – Mit den Narben der Geschichte

Bugatti Type 59 Sports – Mit den Narben der Geschichte

by cctv_admin

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Abgewetztes Leder an den Sitzen, Spuren von halsbrecherischen Zweikämpfen an der Karosserie und am Lack zeugen vom ehrgeizigen, unermüdlichen Einsatz der Rennfahrer. Könnte dieser Bugatti Type 59 Sports reden, es würde ein spannendes Buch entstehen, das vor allem von Siegen, weniger von Niederlagen berichtet. Im Rahmen des berühmten Concorso d’Eleganza Villa d’Este, powered by BMW, wurde dieser Bugatti Type 59 Sports mit der prestigeträchtigen FIVA-Trophäe für das „besterhaltene Vorkriegsfahrzeug“ ausgezeichnet.



Dieser offene Bugatti-Zweisitzer entstand 1934 als Type 59 Sports mit einem Type 57-Chassis. Wenig später erhielt er ein spezielles, neues Chassis für die nächsten Grand-Prix-Rennen. Seine atemberaubende Rennhistorie ist durchgehend belegt – inklusive der berühmten Besitzer und Fahrer. René Dreyfus, Spitzenfahrer der Vorkriegszeit und ein Held des französischen Widerstands, griff Mitte der 1930er-Jahre ans große Lenkrad dieses Rennwagens, ebenso die Rennfahrer Robert Benoist und Jean Pierre Wimille. Später kaufte König Leopold III. von Belgien, ein begeisterter Bugatti-Fan, den Wagen. Heute befindet er sich im Besitz eines Bugatti-Sammlers.

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Ein echter Vollblüter

Erstmals stellte Bugatti den Type 59 Sports am 24. September 1933 beim Großen Preis von San Sebastián vor. Ein Wunderwerk der Technik: kraftvoll und dennoch filigran. Unter die schlanke, niedrige Form passt der kompressoraufgeladene Reihenachtzylinder nahezu perfekt. Die Räder (mit Speichen aus Klavierdraht) minimieren die ungefederten Massen und sorgen mit neuen, ausgeklügelten Stoßdämpfern für ein ausgewogenes Fahrverhalten. Dadurch entsteht ein für einen Rennwagen ungewöhnlich hoher Komfort. Dennoch sieht der Type 59 Sports elegant aus.

Seinen ersten Einsatz erlebte der Werks-Type 59 Sports mit einem 3,3-Liter-Achtzylinder (Nr. 5) in der Saison 1934/1935 ein. Spitzenfahrer René Dreyfus fuhr mit ihm im April 1934 beim Großen Preis von Monaco direkt auf den dritten Platz. Robert Benoist überquert im Juli desselben Jahres beim Großen Preis von Frankreich in Montlhéry als Vierter die Ziellinie, ebenso ein paar Wochen später in Spa-Francorchamps beim Großen Preis von Belgien. Beim Großen Preis von Spanien im September belegt Jean-Pierre Wimille den sechsten Platz

Ettore Bugatti – gewohnt zu gewinnen – zog sich mit dem Type 59 Sports aus dem Grand-Prix-Rennsport zurück und verkaufte vier Fahrzeuge an britische Enthusiasten. Ein Exemplar ändert das Unternehmen in Molsheim zu einem „Rennsportwagen“. Es ist ein Novum bei Bugatti – bis heute. Das Fahrzeug bieb der einzige Grand-Prix-Wagen, der im Werk zum Rennklassement „Sportwagen“ umgebaut wurde, und befindet sich heute in einem nahezu unrestaurierten Originalzustand. Es ist ein perfekter Zeuge der Zeit, in der er gedieh.

Aus dem Motorraum entfernten die Ingenieure den Kompressor, integrierten dafür einen neuen Öltank inklusive Zweipumpenschmierung sowie ein Viergang-Trockensumpf-Vollsynchrongetriebe mit Zentralschaltung. Auch die Karosserie schneiderten sie neu: kleine Motorradkotflügel, eine kleine Windschutzscheibe, kleine, weit unten positionierte Scheinwerfer und Seitentüren – mit der neuen Fahrgestellnummer 57248.

Ein zweisitziges Automobil nicht nur für die Straßen, sondern auch für die Rennstrecke. Genau da setzte Jean-Pierre Wimille den Sportwagen Type 59 Sports ab 1935 in der neuen 750-Kilogramm-Klasse vermehrt ein. In der Sportwagen-Saison 1937 siegte dieser Type 59 Sports mit Pilot Jean-Pierre Wimille am Steuer unter anderem bei den Grands Prix de Pau, de Tunis und de Marseille. Der von den Mechanikern in Molsheim liebevoll „La Grand-Mère“ (Großmutter) genannte Sportwagen nahm an Rennen in Afrika teil und gewann die letzte Ausgabe des Großen Preises von Algerien. Im Juli 1937 gewann Jean-Pierre Wimille zum letzten Mal mit dem Type 59 Sports einen Grand Prix, den Grand Prix de la Marne auf der Rennstrecke in Reims – immerhin mit drei Minuten Vorsprung vor dem Zweiten. Der schnelle und überlegene Bugatti erregte in der Szene Aufsehen. Am Ende der Saison kaufte ein langjähriger Bugatti-Kunde diesen ungewöhnlichen Sportwagen mit erfolgreicher Rennhistorie: Leopold III., König von Belgien zwischen 1934 und 1951.

 

Ettore Bugatti ließ das bisher blaue Auto für den König extra neu lackieren, in des Königs Lieblingsfarbe Schwarz, verziert mit einem gelben Streifen, der an die belgischen Rennfarben erinnert. Wie der König den leistungsstarken Sportwagen in den nächsten Jahren einsetzte, ist nicht überliefert.

Nach Kriegsende, im Jahr 1967 verkauft Leopold III. den Bugatti an einen belgischen Sammler, der ihn rund 20 Jahre im Originalzustand behielt. 1989 wurde die Technik von einem amerikanischen Bugatti-Enthusiasten überholt, danach wechselt der Wagen noch in zwei weitere Garagen bekannter Sammler, die die Karosserie aus Respekt vor seiner ruhmreichen Vergangenheit unberührt lassen. Wer genau hinschaut, der erkennt unter den schmalen Rissen der Lackierung das frühere Bugatti-Blau.

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